Baugeschichte

Haus Windheim No2

Im Jahr 1699 beginnt die Geschichte dieses Hauses. Ein großer Brand in Windheim zerstörte 43 Gebäude, u. a. auch den Hof No2, damals noch nahe der Kirche. Stroheindeckung, Fachwerkbauweise und enge Bebauung im Dorfkern hatten immer wieder Feuersbrünste begünstigt. Schon 1701 wurde der Fortbestand der Hofstätte, deren wirtschaftliche Kraft in „Numero 2“ zum Ausdruck kommt, mit einem Neubau als Aussiedlerhof vor dem Ostertor gesichert. Die spätere Expansion des Weserdorfes führte dazu, dass „Windheim No2“ heute mitten im Ort steht.
Nach Aufgabe der Landwirtschaft und jahrelangem Leerstand begann im Januar 1998 der Abriss dieses letzten Windheimer Zeugen einer vergangenen bäuerlichen Wirtschaftsgeschichte. Das energische Engagement des Vereins „Denk-mal! Windheim No2“ führte zur Rücknahme der Abriss-Genehmigung. Er konnte Freunde und Institutionen gewinnen, insbesondere die NRW-Stiftung Natur – Heimat – Kultur, die Unterschutzstellung, Kauf und Restaurierung des Hauses ermöglichten. Es konnte im Oktober 2004 feierlich eingeweiht werden, das Westfälische Storchenmuseum auf dem Dachboden folgte im April 2005.
Der Erwerb der denkmalgeschützten Doppelscheune (um 1790 / um 1850) und der alten Hofzufahrt vom Ostertor durch das Aktionskomitee „Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke“ 2005 war ein weiterer wichtiger Entwicklungsschritt des Gesamtprojektes. Das benachbarte Brennhaus (1825) sowie die Umsetzung eines Backhauses könnten die historische Hofanlage abrunden.

1. Drei-Ständer-Hallenhaus

Windheim No2 ist eines der wenigen erhaltenen mächtigen Drei-Ständer- Hallenhäuser der Region. Diese Bauweise wurde um 1700-1750 entwickelt. Davor prägen Zwei-Ständer-, danach Vier-Ständer-Fachwerkbauten die Hauslandschaft. Die Bezeichnung weist darauf hin, dass drei Ständerreihen die gesamte Dachlast tragen, im Haus No2 die äußere östliche Hauswand sowie die beiden, die Diele begrenzenden Fachwerkwände. Mit der niedrigen Fachwerkaußenwand und der tief heruntergezogenen Dachhaut nach Westen, der Wetterseite, wirkt das Haus asymmetrisch. Zu dieser niedrigen Abseite (Kübbung) hin wurden die Kuhställe untergebracht. Die Deckenbalken ragen über die tragende westliche Dielenwand hinaus: ein statischer Vorteil, der die Überbrückung der 8,10 m breiten Diele ermöglichte.

2. Storchennest

In dem Windheimer Roman „Der Schuldträger“ des 19.Jh. ist ein Storchennest oberhalb des Hoftores bezeugt. Ca. 1870 stürzte der Giebel mit Nest ein, die Dachkonstruktion wurde in der Breite mehrerer Sparren erneuert. Im Museum auf dem Dachboden erkennt man noch heute die neuen, gerade gewachsenen, aus dem Weserbergland geflößten Nadelhölzer, im Gegensatz zu den ebenfalls noch sichtbaren knorrigen Eichensparren aus der Erbauungszeit. Damals erhielt diese Giebelseite eine Eindeckung mit Dachpfannen, das verbliebene regionaltypische Strohdach bestand noch bis in den Anfang der 1950er Jahre. Heute ziert das Gebäude wieder ein Storchennest an alter Stelle.

3. Rund- oder Steckwalm

In Windheim und den Dörfern überwiegend östlich der Weser etwa zwischen Leteln und Heimsen kann man diese giebelseitige Dachausführung („Knickgewel“) finden. Weiter östlich wird sie „Schaumburger Mütze“ genannt, ist dort jedoch flacher und ohne die obere dreieckförmige Verbretterung mit Uhlenloch ausgeführt. Die Bezeichnung Steckwalm erklärt sich durch die dem letzten, äußeren Dielenbalken „aufgesteckten“ kurzen, nach draußen hinausragenden Balken, die die Sparren des Walms aufnehmen. Eine zweite Erklärung, dass das Stroh durch eine unterseitige Klappe mit langen Staken „hinaufgesteckt“ wurde, gilt als unsicher.

4. Rauchhaus

Bis ins 18. Jahrhundert besaßen die Bauernhäuser üblicherweise eine offene Herdstelle. Brandreste weisen sie im Boden rechts vor dem erst später eingezogenen Schornstein nach, an den heute eine „Kochmaschine“ angeschlossen ist. Der Rauch des Feuers hielt Fliegen und Ungeziefer vom Wohnteil („Kammerfach“) fern. Er zog an den unter den Deckenbalken aufgehängten Würsten und Schinken, dem „Westfälischen Himmel“, vorbei, die er „räucherte“. Schließlich strömte der Rauch zwischen den eichenen Deckenplanken über den Dachboden zum Uhlenloch hinaus. Die Restaurierung beließ die uralte Rauchschwärzung der Balken ganz bewusst.

5. Uhlenloch

Durch das Uhlenloch gelangte die Schleiereule auf den Dachboden, wo sie nach Mäusen jagte und in einem dunklen Winkel nistete. Als Mäusevertilger war sie hilfreich und willkommen, wurde mitunter jedoch als Geister- und Totenvogel verfolgt. Im Haus No2 sind beide Uhlenlöcher wieder eröffnet, dahinter wurden große Nistkästen für Schleiereulen und Turmfalken in die Dachkonstruktion eingearbeitet. Auf einem Bildschirm unten im Café lassen sich die „Untermieter“ mit ihrem Brutgeschäft live beobachten!

6. Dössel

Der Dössel der „Grot Dör“ ist eine hölzerne Säule in der Mitte der Toreinfahrt, gegen die die Torflügel von innen anschlagen und verriegelt werden. Für die Einfahrt des Pferdegespannes ist er herausnehmbar. Der Dössel steht in einer Vertiefung im „Süll“, oben wird er vom „Dösselkopf“ gehalten. Er bekam viele volkstümliche Bedeutungen, z. B. böse Geister fernzuhalten. Auch die wenig schmeichelhaften Bezeichnungen „Dussel“, „Döspaddel“ und „Steh-im-Weg“ haben ihren Ursprung im Dössel.

7. Pferdestall

Rechts und links der Grot Dör befanden sich üblicherweise die Pferdeställe, so auch in No2. Sie sprangen etwas in die Flucht der Diele ein. Der heute als Sanitärtrakt und Treppenzugang zum Museum genutzte ehemalige Pferdestall wurde dendrochronologisch nachgewiesen (Altersbestimmung der Wachstumsringe des Holzes) 1769 erweitert. Die verspielt wirkenden, typisch barocken Balluster in zwei Gefachen ermöglichten den Einblick auf die Tiere. Oberhalb des gegenüberliegenden, westlichen Pferdestalls befand sich eine enge kalte Knechtkammer. Der Knecht, der hier schlief, war so den Tieren nah und profitierte von ihrer „Abwärme“.

8. Verbohlung

Pferde treten aus und hätten das übliche Lehmgefach mit ihren Hufen schnell zerstört. So wurde das untere Fach mit starken Eichenbohlen ausgefüllt. Von außen sind sie rechts und links der Grot Dör zu sehen, nach der Restaurierung von innen nur noch links neben ihr. Solche Verbohlungen haben sich nur äußerst selten erhalten.

9. Kuhnackenriegel

Auf der niedrigen Abseite des Hauses folgten dem Pferdestall die Kuhställe, sehr eng und niedrig. Längs der Diele lagen die Futterkrippen, über ihnen die Kuhnackenriegel („Krümmenregel“). Sie sind überwiegend original erhalten und weisen Aussparungen für den Nacken der Kühe auf. Der Raum oberhalb der Ställe, die Hille, wurde als Lagerstätte für verschiedene Güter genutzt. Auch war hier der Lebensraum der Hühner.

10. Luchtbalken

Rechts und links des Fletts, des Querflures vor dem Wohnteil, liegen die Luchten. Von ihnen aus drang Licht auf die Diele, auf der einen Seite vom „Luchtort“ mit den großen Fenstern, auf der anderen vom „Waskort“ (u. a. Waschen, Geschirr, Anmengung des Viehfutters). Ein mächtiger, im Haus No2 65 cm starker und 530 cm langer eichener Riegel („Luchtholt“) fängt die Last des hier ausgesparten Ständers ab und schafft Raum. Am hellen Luchtort wurde gegessen. Wie in No2 wurde der Waskort später oft durch eine eingezogene Wand als Küche im heutigen Sinne abgetrennt.

11. Hauspumpe

Vor der östlichen (hohen) Traufseite des Hauses wurde ein alter Brunnen gesichert. Eine am Waskort befindliche Schwengelpumpe sicherte die wichtige Wasserversorgung im Haus. Heute ist eine regionaltypische Hauspumpe nahe der „Lüttken Dör“, der seitlichen Eingangstür, angebracht: aufwendig restauriert und funktionsfähig.

12. „Lütkes Fenster“

Zwischen Schornstein und Tür zum mittleren der drei Räume („Beste“ oder „Gute Stube“) des Wohnteils (Kammerfach) befindet sich ein kleines Fenster. Nur diese Stube war beheizbar. Ein Bilegger ließ sich von dort und von der Diele her befeuern. An diesem warmen, privilegierten Platz saß der Bauer und konnte durch das Guckfenster die Arbeitsabläufe und Tiere kontrollieren. Was wird ihn „hinter dem Ofen vorgelockt“ haben? Während der Restaurierung des Hauses ging das Fenster unerklärlich verloren. Dank genauer Bestandsdokumentation konnte es originalgetreu nachgebaut werden.

13. Mardertatze

Ein kleines, liebenswertes Detail: Wenn Sie durch die Grot Dör, das Hoftor, etwa 3 m in die Diele eintreten, entdecken Sie auf dem Boden den Pfotenabdruck eines Steinmarders. Er ist vor dem Brennen über den bereits geformten Stein gelaufen. Der Steinmarder hat fünf Zehen, alle Krallen drücken sich in der Spur ab. Auch die Ballen sind zu erkennen, dies ist bei den stärker behaarten Pfoten des Baummarders nicht der Fall. Ein weiterer Stein zeigt den Abdruck einer kleineren Katzenpfote. Schwer zu finden!

14. Fundstücke

Beim Ausbau des Hauses wurde in Boden und Schutt sorgfältig nach Hinweisen zur Baugeschichte und Lebensweise der Menschen geforscht. Eine Vitrine präsentiert viele einzigartige und höchst interessante Fundstücke.

15. Fototafel 1998 – 2004

Ausbau des Wohn- und Wirtschaftsgiebels: Vom Abriss zum denkmalgeschützten Kleinod.

„Görns“

Ein romantischer kleiner Fußweg (Pad) führt direkt von No2 ins Dorf und zur Weserfähre nach Hävern. „Görns“ leitet sich von „hinter den Gärten“ oder – wahrscheinlicher – vom althochdeutschen „klein“ ab, z. B. noch enthalten in „Gören“ (für Kinder). Die Padwege Windheims – drei weitere sind erhalten – waren auch Fluchtwege vor den Weserhochwässern.